Die Herausforderung bei neuen Cocktails liegt darin, jede einzelne Komponente eines Cocktails zu verstehen, zu wissen wie die Komponenten miteinander harmonieren und zumindest ein gewisses Basiswissen an Warenkunde zu besitzen. Ich arbeite seit über 10 Jahren hinter diversen Bars und bin immer wieder erstaunt, dass viele Barkeeper speziell neue Spirituosen,Liköre oder Sirupe noch nie verkostet haben. Die erste und wichtigste Regel ist, seine Zutaten zu kennen. Die Balance in einem Cocktail ist die zweitwichtigste. Wenn ich nicht weiß wie süß mein Zuckersirup ist oder wie bitter mein Wermut, dann wird es schwierig. Nicht unmöglich, aber schwierig. Warum ist die Balance nur am zweitwichtigsten? Meiner Meinung nach sollten beim Kreieren eines Cocktails der Spaß und das Interesse was Neues auszuprobieren im Vordergrund stehen.
Ich weiß nicht wie viel Cocktail Rezepte es gibt, aber dürften schon ein paar sein, so viele, dass ich fast sagen kann, es ist beinahe unmöglich etwas völlig Neues zu schaffen. Aber müssen wir das wirklich? Nennt mich altmodisch, aber ich bevorzuge eine gut durchdachte und ausgewogene Variante eines Sours gegenüber einem total neuen Rezept mit dreimal destilliertem, geklärten Tomatensaft unter einer Rauchglocke. Ich sage nicht, dass nicht jeder mal versuchen sollte einen revolutionären, neuen Cocktail zu kreieren, egal ob Startender oder „Desperate Housewife“. Es ist jedoch einfacher, speziell für Anfänger, ein Rezept abzuwandeln und dem Cocktail seine eigene Note zu geben. Wir werden uns später die gute alte „Pina Colada“ vorknöpfen, die Königin aller Happy Hour Bars im Burgenland, dicht gefolgt von „Sex on the Beach“ im 3 Liter Pitcher. Mit ein paar kleinen Änderungen wird daraus hoffentlich keine Nachspeise, sondern ein leckerer Sommerdrink.
Was meine ich damit? Wir alle haben Lieblings-Cocktails, warum also nicht die Kombinationen, die wir mögen einfach „klauen“. Nehmen wir als Beispiel den „Ramos Gin Fizz“. Wenn ein Gast diesen Cocktail bestellt, freut sich der Barkeeper besonders – oder auch nicht! Die meisten Barkeeper würden mir zustimmen, dass der „Ramos Gin Fizz“ ein „pain in the ass“ ist in der Zubereitung. Trotzdem, denke ich, können wir uns darauf einigen, dass es ein recht anständiger Cocktail ist. Jedoch auch ein recht veralteter Cocktail, speziell die Kombination aus Limetten- und Zitronensaft scheint auf den ersten Blick überholt. Traditionell wird ein halber Teil Zitronensaft und ein halber Teil Limettensaft verwendet. Genau diese Kombination ist es aber, warum ich diesen Cocktail eigentlich schätze und in vielen meiner eigenen Cocktail-Kreationen diese Kombination übernommen (geklaut) habe. Auf dem Papier gibt es vielleicht keinen großen Unterschied zwischen Zitronen- und Limettensaft, obwohl natürlich ein großer Unterschied zwischen diesen beiden Zitrusfrüchten besteht. Wer den „Ramos Gin Fizz“ mal probiert hat und seine Geschmacksknospen nicht schon in jungen Jahren mit Whisky-Cola ertränkt hat, wird die Komplexität dieser Kombination rausschmecken. Zusammenfassend gesagt, wann immer Ihr Rezepte, Kombinationen, Ideen seht die euch gefallen und schmecken, merkt sie euch, verwendet sie und adaptiert sie um euren eigenen Cocktail daraus zu machen.
Natürlich kann man auf der Suche nach Zutaten mit dem nahe liegenden beginnen und einfach googeln „funktioniert gut mit…“ und sehen auf was für Ideen man so stößt. Ich empfehle auch jedem das Buch „Flavour Bible“ alleine schon um es im Bücherregal stehen zu haben, denn Mädels stehen auf Männer mit Kochbüchern. Ich möchte euch, aber hier nochmal ans Herz legen speziell Cocktails zu zaubern, die für euch interessant sind und euch auch schmecken. Zum Beispiel, wenn ihr Orangen-Schokolade Kekse liebt – wenn nicht, stimmt übrigens etwas nicht mit euch – dann überlegt, wie ihr diesen Geschmack in einen Drink bekommt. Nahe liegend ist hier zum Beispiel einen Orangenlikör zu nehmen wie „Dry Curacao“ und irgendeine Form von Schokolade natürlich (Sirup, Likör), oder vielleicht reicht auch nur geriebene Schokolade als Garnish oder Essenzen und statt dem Schokoladenlikör lieber eine andere Süßungsquelle? Ihr seht, wie schnell man in die Versuchung kommt einiges an Cocktails zu verkosten.
Die besten Zutaten sind nichts wert, wenn die Säure des Limettensaftes alles ruiniert. Dies ist nur ein Beispiel, wie wichtig die Balance in einem Cocktail ist. Hier auch noch ein kleiner Tipp, den anscheinend Anfänger nicht für so offensichtlich halten: Immer den Drink schon im Shaker probieren. Ich weiß, den meisten Barkeepern ist das klar, aber trotzdem dürfte es Barkeeper geben die den Drink akribisch genau vorbereiten mit Dekoration, die einer Masterclass würdigist, nur um zu dem Ergebnis zu kommen, dass er scheiße schmeckt. Ach ja, natürlich vor dem Shaken abschmecken! In vielen Fällen wird die Balance von Säure und Süße nicht passen,was sehr einfach zu beheben ist. Ähnlich ist es, mit stark alkoholischen Cocktails. Funktioniert genau wie bei der Säure-Süße Balance. In den meisten Fällen gibt es eine Basisspirituose und einen Likör zum Beispiel, welcher einen geringeren Alkoholanteil hat.
Tatsächlich gibt es doch einige Vorgaben, an die wir uns halten sollten, je nach Wahl des Cocktails, den wir kreieren wollen, so auch die Wahl des Glases. Ich würde zum Beispiel nicht empfehlen, eine Old Fashion Variation in einem Tiki-Becher zu servieren (no shit!). Nichtsdestotrotz geht es natürlich um die Menge des Inhaltes und in welches Glas er am besten passt und natürlich, ob er mit oder ohne Eis getrunken werden soll. Es gibt auch hier viele Varianten, die uns einiges an Spielraum geben. So könnt ihr zum Beispiel Sours klassisch in einem Old Fashioned Glas mit Eis servieren, oder wenn ihr zum Beispiel eine Sour Variante mit Eiweiß gewählt habt, in einem Coupe.
Vorweg sei gesagt, mal abgesehen von Tiki-Cocktails bin ich der Meinung, weniger ist mehr. Einen Sour Cocktail mit Orangen, Zitronen und Kirschen zu servieren ist wie eine Leberkäsesemmel ohne Mayonnaise, das geht einfach gar nicht! Es gibt unzählige Möglichkeiten hier kreativ zu werden ohne es zu übertreiben. Ein wenig Staubzucker auf die Minze beim Mojito, ein paar Tropfen Bitters auf den Eiweißschaum oder getrocknete Früchte. Keep it simple but fancy.
Das mag offensichtlich klingen, aber trotzdem: Wenn ihr einen großartigen Cocktail kreiert, möchten die Leute wissen, wie er heißt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der Name zum Drink passen sollte, einprägsam ist und irgendwie das Gefühl vermittelt, dass der Cocktail was Besonderes ist. Der Name spielt eine große Rolle ob und wie oft ein Cocktail bestellt wird. Die meisten unserer Gäste sind keine Cocktail-Experten. Es mag den ein oder anderen schockieren, aber nicht jeder weiß zum Beispiel, was Wermut ist oder worin der Unterschied zu Whiskey und Rye Whiskey besteht. Daher ist der Name ausschlaggebend für den Erfolg eures Cocktails. Ich für meinen Teil versuche immer einen Namen zu finden der eine Bedeutung hat und sich auch gut liest und im besten Fall natürlich zum Drink passt. Ein kleiner Tipp: auf Urban Dictionary findet man oft gute Ideen. So ist übrigens auch der Name für meine „Love Puff Colada“ entstanden die ich am Endedes Beitrags vorstellen werde. Wer nicht weiß, wofür „Love Puff“ steht, kann es ja dort nachlesen.
Jeder Cocktail sollte eine Story haben, zumindest laut den meisten Cocktail Jurys. Bullshit! Erstens, denke ich, wissen die meisten die mich kennen, was ich über Cocktail Contests und Startender halte. Seien wir mal ehrlich, eine Hintergrundstory zu einem Cocktail? Das war vielleicht in der Zeit der Prohibition interessant, aber was für eine Geschichte soll ein Cocktail haben, den wir am Samstagabend leicht besoffen mixen? Viel interessanter ist die Geschichte darüber, wie der Abend weiter geht!
Zubereitung: Alle Zutaten in einen Shaker geben, mit Eiswürfeln auffüllen, kräftig schütteln und in ein vorgekühltes High Ball Glas abseihen und mit Eis auffüllen. Dekoration empfehle ich Kokosflocken, Ananasblatt und eine gedörrte Ananasscheibe.